OSTRALE Biennale O21, Atemwende

13. Internationale Ausstellung zeitgenössischer Künste
Dresden 01.07. – 03.10.2021

Die internationale Ausstellung für zeitgenössische Künste OSTRALE Biennale O21 Atemwende, hat am 3. Oktober 2021 ihre Pforten geschlossen. Während der dreimonatigen Öffnungszeit haben 20.000 Besucher die Ausstellungsorte in der Robotron Kantine, der Stadtentwässerung Dresden und der Gedenkstätte Bautzner Straße besucht, darunter 2.500 Studenten.

ATEMWENDE

In den Flüssen nördlich der Zukunft / werf ich das Netz aus (Paul Celan)

Mensch sein ist nicht genug und doch schon zu viel. Manchmal verhalten wir uns wie Roboter, möchten aber wie Tiere fühlen. Wie können wir Arbeit und Vergnügen, Kunst und Industrie, Politik und Poetik neu atmen und denken, wenn alles ineinanderfließt, wie Ströme in einen Fluss? Ist der ganze Planet unser Zuhause oder nur die Quadratmeter, die wir einnehmen?

Zwischen Desorientierung und Neuorientierung, um neue Wege zu finden und Sackgassen zu vermeiden, müssen wir anders atmen. Wir müssen die Perspektive wechseln und auf die achten, die am Rande unseres Blickfeldes stehen: die Außenseiter, die Unterdrückten, die Unbekannten, aber auch Biosphären, Bauwerke und soziale Räume. Am Tor einer neuen, post-pandemischen Ära, erschöpft aber hoffnungsvoll, neugierig und bereit für eine Wende, erforscht die OSTRALE in 2021 wie wir mit unseren Mitmenschen, Tieren und unserer komplexen Umwelt zusammenleben.

Angesichts der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Dynamik des letzten Jahrzehnts (oder, um es ganz offen zu sagen, "das Ende der Welt, wie wir sie kennen") wird immer deutlicher, dass der Imperativ des ständigen Wachstums und der Entwicklung keine nachhaltige Vision für unsere Zukunft mehr ist, wenn wir überhaupt eine haben wollen.

Doch während immer mehr Einzelpersonen zu dieser Erkenntnis kommen, scheinen die großen Systeme, die unsere Welt und unsere Gesellschaften regieren, weniger bereit zu sein, ihr Verhalten zu ändern. Manchmal fühlt es sich so an, als wären wir in einer Strömung gefangen, gegen die es sinnlos ist zu kämpfen, aber das Schwimmen stromaufwärts scheint wichtiger denn je zu sein, da wir keine Zeit zur Verfügung haben, wie es normalerweise für solche grundlegenden kulturellen Wenden nötig wäre.

Die Rolle der Kunst in diesem Zusammenhang ist problematisch: Soll sie als Mittel zur Sensibilisierung dienen, um Empathie für ein tieferes Verständnis dieser Fragen zu entwickeln? Oder wäre das eine Einschränkung der künstlerischen Freiheit und eine Einladung zur Propaganda? Ist Kunst ein Luxus der entwickelten Welt, der als erstes abgeschafft werden sollte, wenn wir unseren Konsum reduzieren und unsere materiellen Bedürfnisse einschränken? Oder ist sie im Gegenteil das wichtigste Werkzeug, um in einer ansonsten hoffnungslosen und beängstigenden Welt zu überleben und unsere Hoffnungen aufrechtzuerhalten?

Die OSTRALE Biennale in Dresden ist die drittgrößte internationale Ausstellung für zeitgenössische Künste in Deutschland, die seit 2007 jährlich in den Sommermonaten stattfindet und im Jahr 2017 zur Biennale überging. Sie ist keine Verkaufsausstellung per se, was ihr die Freiheit gibt, abseits des Marktgeschehens gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren.

Als Raumpionier öffnet die OSTRALE leerstehende Industrie- und Kulturbrachen. Die Ausstellungen fanden bisher an verschiedenen Schauplätzen des ehemaligen Schlachthofkomplexes im Ostragehege in Dresden sowie an ähnlichen postindustriellen Orten in ganz Europa statt. Nach Verlassen des Ostrageheges wurde die OSTRALE Biennale im Jahr 2019 in der Historischen Tabakfabrik f6 im Stadtteil Striesen und an 5 weiteren dezentralen Standorten in Dresden durchgeführt. Diese letzte Ausgabe begrüßte in gut zwei Monaten mehr als 30.000 Besucher, darunter 9.000 Studenten aus Dresden und ganz Sachsen.

Für die OSTRALE Biennale O21 bot sich den Veranstaltern dank der großzügigen Unterstützung der Immobiliengesellschaft Gerchgroup AG die einzigartige Chance, die Ausstellung im Jahr 2021 erstmals im Herzen Dresdens zu präsentieren. Das Gebäude ist ein Zeitzeugnis der Ostmoderne und ein oft übersehener Teil der Architektur- und Sozialgeschichte der Stadt Dresden.

Die Robotron Kantine ist die ehemalige Betriebsgaststätte und eines der letzten noch stehenden Gebäude des bereits abgerissenen Robotron-Computerfabrikkomplexes, einst ein Kronjuwel der technologischen Innovation, aber auch des architektonischen Optimismus, in Dresden und in der gesamten DDR in den 1960er und 1970er Jahren. Nach der Schließung der Fabrik ist ihr Schicksal jedoch etwas unglücklich verlaufen. Eine Zeit lang diente es als Veranstaltungsort für verschiedene kulturelle Aktivitäten und auch als Proberaum für die nahe gelegene Semperoper, doch in den letzten Jahren stand es in einem immer schlechter werdenden Zustand leer. Die Diskussion um seine mögliche Reaktivierung gewann während der Vorbereitungsphase der Bewerbung Dresdens um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 an Dynamik, in deren Rahmen mehrere neue Konzepte für das Gebäude entwickelt wurden. Nun, da die Stadt Dresden nicht mehr im Wettbewerb um den Titel steht, bleibt die Zukunft der Robotron Kantine ungewiss. Die Öffnung durch Kunst kann den Weg ebnen sie als Kulturstätte neu zu beleben.

Im Jahr 2021 wurden erste wichtige Schritte in diese Richtung unternommen, denn die beiden führenden Dresdner Organisationen für zeitgenössische bildende Kunst, das Kunsthaus Dresden und die OSTRALE - Zentrum für zeitgenössische Kunst, führten im und um das Gebäude temporäre Veranstaltungen durch. Zunächst wurden vom Kunsthaus Dresden eingeladene KünstlerInnen mit ihrem internationalen Kunstprojekt North East South West die Fassaden und Außenbereiche der Kantine aktivieren. Im Sommer diente die Kantine dann als Hauptort der OSTRALE Biennale O21, die Kunstwerke von rund 160 Künstlern aus aller Welt präsentierte, die von einem internationalen Kuratorenteam aus Kroatien, Litauen und Ungarn ausgewählt wurden, und von den Leiterinnen der OSTRALE begleitet werden.

Ein weiterer wichtiger Veranstaltungsort der OSTRALE Biennale O21 war die Stadtentwässerung Dresden, direkt in der Nähe des OSTRALE-Zentrums in Dresden-Übigau. Die faszinierenden Anlagen dienten als spannende Kulisse für die ausgestellten Kunstwerke und brachten Wissenschaft, Industrie und bildende Kunst in einen ungewöhnlichen Dialog. Mit ihrem langjährigen Engagement in Umwelt- und Klimafragen, ihren Programmen zur Einbindung und Aufklärung junger Generationen über den verantwortungsvollen Umgang mit Abwasser und natürlichen Ressourcen war die Stadtentwässerung Dresden ein natürlicher Partner für das aktuelle Programm der OSTRALE, welches sich auch mit den Fragen unserer Beziehungen zu Flüssen, Wasser, Nachhaltigkeit und den weiteren Zusammenhängen zwischen Gesellschaft, Umwelt und Kunst beschäftigte.

Dieses Thema steht auch im Mittelpunkt von Flowing Connections, einer vom Creative Europe Programm der Europäischen Union kofinanzierten kulturellen Zusammenarbeit, die bei der Umsetzung der OSTRALE Biennale O21 eine entscheidende Rolle spielte, insbesondere wenn es um den kuratorischen Prozess, die Vorbereitung und die Eröffnung der Ausstellung ging. Es ermöglicht eine Auswahl der in Dresden präsentierten Kunstwerke in Budapest (Ungarn), Split (Kroatien) und in der europäischen Kulturhauptstadt Kaunas (Litauen) im Jahr 2022 auszustellen. Parallel begleiten weitere Aktivitäten wie ein Artist in Residence-Programm, Workshops und Symposien zu Fragen der Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Vermittlungsstrategien und Inklusion die Ausstellungen.

Das OSTRALE.basis in Übigau Dresden ist seit April 2020 der neue Hauptsitz und eine wichtige Referenz für die Künstlerischen Residenzen der Biennale! In der Tat begrüßt die OSTRALE jedes Jahr in ihrem Künstlerwohnung Künstler aus ganz Europa, wo sie übernachten und ihre künstlerische Forschung betreiben können. Das OSTRALE.basis ist nicht nur die "Backstage" der Biennale, sondern soll auch ein sozialer Raum für die Gemeinde Übigau sein wo wir einen Kinosalon, literarische Lesungen, künstlerische Workshops und ökologisch-nachhaltige Aktivitäten veranstalten wollen. Die Gemeinde ist herzlich eingeladen, das kulturelle Programm mitzugestalten und an diesem Prozess der Stadterneuerung teilzunehmen, um diesen Stadtteil mit einem lebendigen kulturellen Leben zu aktivieren. Im Moment läuft in dem Garten der OSTRALE.basis "Das Zukunft Projekt", eine Reihe von kreativen Workshops mit Studenten der Kunsthochschule Dresden und Wroclaw für die Schaffung eines nachhaltigen Kunstgartens zusammen mit den Kindern des örtlichen Kinderhauses Sonnenschein. Das OSTRALE.basis bietet lokalen Künstlern ein Plattform für Ausstellung und Projektentwicklung.

Weitere Kooperationspartner war die Gedenkstätte Bautzner Straße. In einem Rundgang durch das einzige original erhaltene Stasi-Untersuchungsgefängnis in Sachsen kann nachvollzogen werden, wie der staatliche Repressionsapparat seine politischen Gegner auszuschalten versuchte. In der Ausstellung und anhand eindrücklicher Mitschnitte im ehemaligen Büro des Dresdner Stasi-Chefs zeigt sich der Alltag des Sicherheitsdienstes. Diese Dichte historischer Räume, verbunden mit interaktiven Ausstellungen und Zeitzeugenberichten, ist bundesweit einzigartig. Die Intervention der OSTRALE Biennale O21 stand mit zeitgenössischer internationaler Kunst dem historischen Bezug des Ortes gegenüber und versuchte einen Dialog zwischen der Vergangenheit und Gegenwart so wie der Zukunft herzustellen.

Ausstellende KünstlerInnen

Die Ausgabe 2021 der OSTRALE Biennale präsentierte 140 KünstlerInnen aus 34 Ländern, Deutschland, Litauen, Kroatien, Ungarn, Schweden, Serbien, Türkei, Indien, Nordmazedonien, Singapur, Italien, Frankreich, Togo, Niederlande, Russland, USA, Polen, Österreich, China, Ukraine, Slowenien, Moldawien, Tschechien, Bulgarien, Finnland, Bangladesch, Luxemburg, Aserbaidschan, Peru, Kosovo, Irland, Norwegen, Schweiz, Großbritannien.

Nils Agdler & Timo Menke (SE), Emil Andersson (SE), Sanja Anđelković (RS), Katharina Andress (DE), Aleksas Andriuškevičius (LT), Aurelija Maknytė (LT), Seçkin Aydin (TR), Devadeep Bani Sarmah Gupta (IN), Gildo Bavčević (HR), Dávid Biró (HU), Bojan Mrđenović (HR), Jana Borsche (DE), Viktor Brim (DE), Janos Brückner (HU), Gaby Burckhardt (DE), Daniel Burkhardt (DE), Nadja Buttendorf (DE), Elena Chemerska (MK), Daniel Chong (SG), István Csákány (HU), Mauro Cuppone (IT), Márta Czene (HU), Etienne de France (FR), Abdoul-Ganiou Dermani (TG-DE), Tibor Dieters (NL), Alexei Dmitriev (RU), Katerina Duda (HR), Gabriele Engelhardt (DE), Lucy Cordes Engelman (US), Anna Fabricius (HU), Zsolt Ferenczy (HU), Mona Freudenreich (DE), Márk Fridvalszki (HU), Friederike & Uwe (DE), Áron Galambos (HU), Nadia Galbiati (IT), Mindaugas Gapševičius (LT), Gabrielė Gervickaitė (LT), Bronė Sofija Gideikaitė (LT), Harald Gnade (DE), Goran Škofić (HR), Igor Grubić (HR), Michael Grudziecki (PL-DE), Marko Gutić Mižimakov (HR),  László Győrffy (HU), Péter Tamás Halász (HU), Willem Harbers (NL), Michael Heindl (AT), Roland Hermanns (DE), Di Hu (CN), Ana Hušman (HR), doplgenger (Isidora Ilić & Boško Prostran, RS), Alexander Jakimenko (UA-DE), Yuki Jungesblut (DE), Nikita Kadan (UA), Eginhartz Kanter (DE), Anuschka Kilian-Buck (DE), Neža (SI), Eugenijus Kolmogorcevas (LT), KOLXOZ (Maxim Polyakov, Anton Polyakov & Viktor Vejvoda, MD & CZ), Vikenti Komitski (BG), Endre Koronczi (HU), Volker Kreidler (DE), Áron Kútvölgyi-Szabó (HU),  Marcus Lerviks (FI), Irma Leščinskaitė (LT), Glorija Lizde (HR), Larion Lozovoy (UA), Dean Maassen (DE), Éva Magyarósi (HU), Firoz Mahmud (BD), Casey McKee (US), Toni Meštrović (HR), studio ASYNCHROME (Marleen Leitner & Michael Schitnig, AT), Niko Mihaljevic (HR), Péter Lichter (HU), Ivan Milenković (RS), Judit Lilla Molnár (HU), Sarvenaz Mostofey (IR), Petra Mrša (HR), Christoph & Sebastian Mügge (SE), Sali Muller (LU), Csaba Nemes (HU), Thomas Neumaier (DE), Klára Orosz (HU), Andrea Palašti (RS), Lav Paripović (HR), Predrag Pavić (HR), Julija Pociūtė (LT), Renata Poljak (HR), Ghenadie Popescu (MD), Marko Rodics (HU), Ivan Ramljak (HR), Farid Rasulov (AZ), Jens Rausch (DE), Melanie Richter (DE), Jana Rinchenbachová (CZ), Fátima Rodrigo (PE), Sandra Rosenstiel & Hanne Lange (DE), Nika Rukavina (HR), Neli Ružić (HR), Catherine Sanke (DE), Remis Ščerbauskas (LT), Philipp A. Schäfer (DE), Jan Sebesta (CZ), Driton Selmani (XK), Stipan Tadić (HR), Lana Stojićević (HR), Kamen Stoyanov (BU), Attila Szabó (HU), Ottó Szabó (HU), Eszter Szabó (HU), Zsuzsanna Szegedi-Varga (US), Kamilla Szij (HU), Hajnal Szolga (HU), József Szolnoki (HU), Casper ter Heerdt (NL), Ivana Tkalčić (HR), Laura Erika Urbanski (DE), Philipp Valenta (DE), Arturas Valiauga (LT), Daina Vanagaitė-Belžaikienė (LT), Vangjush Vellahu (AL), Xueying Wang (GB), Guido Weggenmann (DE), Anette Wörner (DE), xtro realm (Gideon Horváth & Rita Süveges & Anna Zilahi, HU), Dia Zékány (HU), Yinglin Zhou (CN), Die Zukunft - Studenten der Kunsthochschule Dresden und Wrocław (Ida Sielska, Jarosław Słomski, Taina L. Bemmerlein & Veronika Pfaffinger, PL & DE)